Der Ritten - Geschichte


Geographie und Vegetation

Die Gemeinde Ritten umfasst den Bergrücken, der sich vom Bozner Talkessel bis in das Gebiet des Rittner Horns hinauf erstreckt (Höhenunterschied ca. 2000 m) und geologisch größtenteils auf der Bozner Quarzporphyrplatte, einem ausgedehnten Vulkanitgebiet der Alpen, liegt.

Hochplateau mit steilen Anstiegen: der Ritten aus dem Flugzeug www.tappeiner.itHochplateau mit steilen Anstiegen: der Ritten aus dem Flugzeug www.tappeiner.it

Wegen der unterschiedlichen Meereshöhe des Gemeindegebietes (Min. 296 m ü.d.M., Max. 2170 m ü.d. M., Zentrum 1154 m.ü.d.M, ( astat : Demographisches Handbuch für Südtirol 2012) ist die Vegetation äußerst abwechslungsreich. Submediterraner Pflanzenwuchs mit Flaumeichen, Reben und Kastanienbäumen an den unteren Sonnenhängen geht auf den Anhöhen des Mittelgebirges in Föhrenwald, zunehmend untermischt mit Fichten und Lärchen, über. Fichtenwald und Lärchenwiesen werden mit ansteigender Höhenlage von alpiner Vegetation mit Legföhren und Zirben abgelöst. Über der Waldgrenze (bei ca. 1900 m Höhe) erstreckt sich die Rittner Almlandschaft bis in das Gebiet des Rittner Horns (2260 m). Die Wiesen und Almen auf dem Hochplateau spielen eine wichtige Rolle für die Viehwirtschaft.

War die Landwirtschaft mit großen Wald-, Wiesen- und Ackerflächen in den 1950iger Jahren von Ausschlag gebender wirtschaftlicher Bedeutung, so wurde in den letzten Jahrzehnten weit gehend Ackerland von Grünflächen und Apfelkulturen abgelöst. Durch den Bau von Bewässerungsanlagen und Staubecken wurde die Landwirtschaft intensiviert (http://www.uibk.ac.at/geographie/projects/kls/ritten/wandel/geschichte.html).

Zur Geschichte des Rittens

Wegen seiner sonnigen Lage und seinem günstigen Klima war der Rittner Höhenrücken schon in frühester Zeit besiedelt, auch war man auf dem Berg vor Feinden und Überschwemmungen sicher. Die meisten Spuren urzeitlicher Wehr- und Wohnsiedlungen stammen aus der Bronze- und Eisenzeit (Hosp, S. 10/11).

Die Straße über den Brenner war seit jeher die wichtigste Verbindung zwischen Norden und Süden. Der Brennerpass verdient daher - als von den Kaisern meist begangener Pass - zu Recht den Beinamen „Kaiserpass“ (Pivec, S. 5). Wegen der engen und unpassierbaren Eisacktalschlucht zwischen Kollmann und Bozen führte der Umgehungsweg in der Römerzeit und wohl auch früher schon über den Ritten (Hosp, S.14). Die später so bezeichnete „Kaiserstraße“ erfuhr im Hochmittelalter große politische und wirtschaftliche Bedeutung. Zahlreiche deutsche Könige und Kaiser zogen mit ihrem Gefolge auf dieser Straße zur Kaiserkrönung oder auch aus politischen Gründen nach Rom und zurück.

Nach den unruhigen Zeiten der Völkerwanderung und dem Untergang des römischen Reiches (476 n. Chr.) wurde der Ritten von Bajuwaren besiedelt (Raiffeisenkasse Ritten, S. 14). In einer Schenkungsurkunde an das Hochstift Freising erfolgte die erste urkundliche Erwähnung („in monte Ritena“, 875 n. Chr.) des Rittner Berges.

Um das Jahr 1200 entstanden im „Land im Gebirge“, so wurden die Täler um Brenner und Reschen im hohen Mittelalter meist genannt, viele Hospize. Auch am höchsten Punkt des Umgehungsweges über den Ritten, am Ulrichspass in Lengmoos, wurde kurz vor 1211 ein Pilgerhospiz errichtet (Lantschner, Aus der Lengmooser Pfarrgeschichte, S.7)1211 schenkte der damalige Bischof von Trient, Friedrich von Wangen, dem Hospiz die Pfarre Ritten mit allen Einkünften und Rechten zur Versorgung der durchziehenden Pilger und Armen.

Pfarrkirche und Kommende in Lengmoos www.tappeiner.it
Pfarrkirche und Kommende in Lengmoos www.tappeiner.it

Als zu Beginn des 14. Jahrhunderts der Bozner Kaufmann Heinrich Kunter einen Saumweg durch die wilde Eisackschlucht anlegen ließ, wurde diese Route zur starken Konkurrenz für den beschwerlichen Weg über den Ritten. Der Verkehr verlagerte sich in das Eisacktal, der Ritten und das Hospiz in Lengmoos verloren an Bedeutung (Mahlknecht, S.94/95; Raiffeisenkasse Ritten, S. 17/18). Das Pilgerhospiz wurde zu einer Niederlassung des Deutschen Ordens, einer Kommende. Diese wurde während der Bauernunruhen 1525 zerstört und später wieder aufgebaut und prunkvoll ausgestattet.

Seit Beginn des 17. Jahrhunderts wurde der Ritten von reichen Bozner Kaufleuten und Adelsfamilien für den Sommeraufenthalt genutzt. Stattliche Sommerfrischhäuser in Klobenstein und Maria Himmelfahrt aus jener Zeit zeugen vom Lebensstil der vornehmen Gesellschaft, den der Arzt, Schriftsteller und Dichter Hans von Hoffensthal, 1877 in Maria Himmelfahrt geboren, in mehreren seiner literarischen Werke lebendig erhalten hat. Die Mittelschule in Klobenstein ist nach ihm benannt.

Peter Mayr, der tragische Held von 1809 www.tappeiner.it
Peter Mayr, der tragische Held von 1809 www.tappeiner.it

Die Zeit der Tiroler Freiheitskämpfe (1796 – 1809) ging auch auf dem Ritten nicht spurlos vorüber. 1797 stellten sich Rittner Schützen unter der Führung von Peter Mayr vom Köhlhof in Siffian auf dem Krumeregg den auf den Ritten vorgedrungenen Franzosen in erbittertem Kampf entgegen. Peter Mayr, nachmaliger Wirt an der Mahr und eingegangen in die Geschichte des Tiroler Freiheitskampfes, wurde 1810 in Bozen von den Franzosen erschossen. Eine Gedenktafel an seinem Heimathof in Siffian erinnert an ihn.

Im 19. Jahrhundert begann mit dem Aufkommen des Tourismus in den Alpen und in Tirol auch auf dem Ritten eine neue Zeit. Am 13. August 1907 wurde die von Ingenieur Joseph Riehl erbaute Rittnerbahn, die von Bozen nach Klobenstein (Höhenunterschied ca. 1000 Meter) führte, eröffnet. Die Erschließung des Rittens für den Verkehr sorgte für eine lebhafte Entwicklung des Tourismus und für bedeutenden wirtschaftlichen Aufschwung. Die Österreichische Regierung plante damals, das Dorf Oberinn wegen seines günstigen Klimas und der sonnigen Lage zu einem Luftkurort mit Rehabilitationszentren für Lungenkranke und anderen Einrichtungen zu machen. Die Rittnerbahn sollte - diesen Plänen entsprechend - sogar bis nach Oberinn weitergeführt werden. Die Ereignisse des Ersten Weltkrieges verhinderten die Realisierung (vgl. http://oberinn.ritten.org/das-dorf.html).


Die Zeit des Ersten Weltkrieges (1914 bis 1918), die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise von 1929 und die Jahre der faschistischen Herrschaft (1922 bis 1943) bescherten auch dem Ritten einen wirtschaftlichen Stillstand. Zwar erfolgte in den Jahren 1936/37 wieder ein kurzer Aufbruch (Raiffeisenkasse, S. 80), aber der Beginn des Zweiten Weltkrieges (1939) und die Zeit der Option wirkten sich folgenschwer auf die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Lage des gesamten Landes aus. Nach der Besetzung Südtirols durch die deutsche Wehrmacht (1943) wurde das Pfarrhaus von Wangen für ca. zwei Monate zum rettenden Versteck des damals von der Gestapo verfolgten Wortführers der Dableiber, Kanonikus Michael Gamper (Hosp, S.75). Es gelang dann, den angesehenen Schriftleiter und Gründer der Katakombenschulen nach Florenz in Sicherheit zu bringen. Im Winter 1944/45 wurde das abgelegene Dörfchen Gissmann ebenfalls für einen besonderen politischen Plan ausersehen. Auf einem kleinen Bauernhof wurde ein heimliches Versteck für den abgesetzten Duce Mussolini und seine Geliebte Clara Petacci vorbereitet. Dieser Plan wurde jedoch nicht umgesetzt. Beim Versuch, in die Schweiz zu flüchten, wurde Mussolini am Comer See von Partisanen erkannt, festgenommen und am nächsten Tag, dem 28. April 1945, zusammen mit seiner Geliebten erschossen. In ihrem Buch über den Ritten schildert die Autorin Inga Hosp die Hintergründe dieses Versteckplans sehr detailliert (Hosp, S.40/41).

Die Rittnerbahn nützt allen: den Einheimischen als Vehikel für den täglichen Ab- und Aufstieg (heute freilich nicht mehr auf der Zagnradstrecke) und den Touristen für beschauliche Ausflüge www.tappeiner.it
Die Rittnerbahn nützt allen: den Einheimischen als Vehikel für den täglichen Ab- und Aufstieg
 (heute freilich nicht mehr auf der Zahnradstrecke) und den Touristen für beschauliche Ausflüge www.tappeiner.it

Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht (1943) und der Errichtung der„Operationszone Alpenvorland“ geriet Südtirol ins Visier der Bombenangriffe durch die Alliierten. Vor allem die Stadt Bozen war davon betroffen, aber auch die nähere Umgebung wurde in Mitleidenschaft gezogen. So wurden 1944 Schienen und Oberleitungen der Rittnerbahn und nach fehlgeschlagenen Luftangriffen auf die Brennerroute im Frühjahr 1945 die Kirche in Siffian durch Bomben beschädigt und in der Nähe der Finsterbachbrücke kamen bei einem Volltreffer drei Bozner Frauen bei einer Wanderung ums Leben (vgl. Reith, S. 44/45).

Erst nach Kriegsende (1945) konnte unter schwierigen Bedingungen mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau begonnen werden. 1966 wurde die Zahnradstrecke der Rittner Bahn zwischen Bozen und Maria Himmelfahrt aufgelassen und durch eine Seilbahn, die Bozen mit Oberbozen verband, ersetzt.

Die Fertigstellung der Straße auf den Ritten 1971 wurde zu einem weiteren Meilenstein in der wirtschaft-lichen Entwicklung des Hochplateaus. In den folgenden Jahren wurden das Rittner Horn– Gebiet für den Wintersport erschlossen, der Eisschnelllaufring, das Sportgebäude und der Eisplatz in Klobenstein erbaut. Die Ansiedlung von Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben in Gewerbegebieten und die Gründung von Industriebetrieben in Unterinn bildeten - mit dem aufstrebenden Tourismussektor - die Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung der gesamten Gemeinde (Raiffeisenkasse Ritten, 1992, S.140).

Tourismus, Landwirtschaft, Handwerk und Dienstleistung sind die tragenden Säulen der Rittner Wirtschaft. Die verkehrstechnisch gute Anbindung an die Landeshauptstadt Bozen hat zur wirtschaftlichen Entwicklung des Rittens wesentlich beigetragen. Die Ansiedlung von Betrieben auf dem Hochplateau, die Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort und die Möglichkeit, nach Bozen zur Arbeit zu pendeln, schob auch der Abwanderung aus dem Berggebiet einen Riegel vor. Zahlreiche Rittner Schüler und Studenten besuchen die Oberschulen in der nahen Landeshauptstadt Bozen und die Universität. Für die Bewohner der Stadt Bozen ist der Ritten nach wie vor Naherholungsgebiet und für viele von ihnen auch Wohnort geworden.

Zur Entstehung der Gemeinde Ritten

Der Heimatforscher und Kulturhistoriker Bruno Mahlknecht aus Bozen vermittelt in seinem Gebietsführer über den Ritten (siehe Literaturangaben) einen detaillierten Überblick zur Entwicklung und Entstehung der Gemeinde Ritten und zur Kirchengeschichte. An seinen Forschungsergebnissen orientieren sich die folgenden Ausführungen.

Die Entstehung der Gemeinde Ritten hängt eng mit der Kirchengeschichte zusammen. Ursprünglich gehörte der ganze Ritten zur Urpfarre Unterinn. Im 12. Jahrhundert wurde diese wahrscheinlich geteilt: Der westliche Teil des Rittner Berges mit Wangen, Oberinn und Sill bildete fortan die Pfarre Wangen, der östliche Teil war in der Pfarre Ritten zusammengefasst. Nach dem Bau der neuen Pfarrkirche in Lengmoos (Einweihung 1225) wurde der Sitz der Pfarre von Unterinn nach Lengmoos verlegt.

Mit der Gründung der beiden Pfarreien Ritten (Lengmoos) und Wangen entstanden auch die beiden Gerichtsgemeinden Stein am Ritten (Gerichtssitz Schloss Stein bei Siffian) und die Gerichtsgemeinde Wangen (Gerichtssitz Schloss Ried).

Um 1500 wurde die Pfarre Ritten in die Pfarreien Lengmoos und Unterinn geteilt und – zusammen mit der Pfarrei Wangen – wurden alle drei Rittner Pfarreien vom Deutschen Orden betreut. Die im Laufe der Zeit entstandenen Kuratien Oberbozen, Oberinn, Atzwang und Lengstein wurden im 20. Jahrhundert zu selbstständigen Pfarreien erhoben. 1935 wurde die Pfarre Unterinn, aus der die anderen Pfarreien des Rittens hervorgegangen sind, zur Erzpfarre erhoben. 1964 kam der bis dahin zum Bistum Trient gehörende Ritten zur neu errichteten Diözese Bozen - Brixen ( Mahlknecht, S.54).

Die heutigen sieben Pfarreien des Rittens, nämlich Atzwang, Lengmoos, Lengstein, Oberbozen,, Oberinn, Unterinn und Wangen gehören zum Dekanat Bozen-Sarnthein.

Ruine Stein
Ruine Stein

Im Jahre 1810 wurde das Gebiet des alten Tirol aufgeteilt: Das Königreich Bayern behielt das nördliche und mittlere Tirol; das Etschtal südwärts, einschließlich Bozen und Umgebung, kam zum Königreich Italien; das Pustertal östlich von Innichen wurde den Illyrischen Provinzen zugewiesen (Stolz, S. 605). Damit gehörte der Ritten zum 1805 entstandenen Königreich Italien, dessen Beherrscher Napoleon war. Die Fraktion Gissmann wurde jedoch dem Gericht Sarnthein zugeteilt, da es durch die napoleonische Grenze vom übrigen Ritten abgeschnitten wurde. „Gißmann gehörte zu Baiern und der übrige Ritten zu Italien“, so beschreibt P. Rudolf Lantschner die damalige Situation der Gemeinde Ritten (Lantschner, Gissmann am Ritten, S. 15). 1814 wurden dann der Ritten und ganz Südtirol wieder mit Österreich vereinigt (Mahlknecht, S. 104).

1828 wurde das Gericht Wangen aufgelöst und dem Gericht Stein einverleibt. Die Gerichtsgemeinde Ritten, so die Bezeichnung für das zusammengeschlossene Gebiet, wurde – ebenfalls nach Auflösung (1849) - dem Bezirksgericht Bozen unterstellt (Mahlknecht, S.104/105). Die Gemeinde Wangen bestand weiterhin, bis sie im Zuge der faschistischen Verwaltungsreformen endgültig aufgelöst und der Gemeinde Ritten angeschlossen wurde (1928).

1973 wurde das Gebiet der Gemeinde Ritten von der Südtiroler Landesregierung unter besonderen Naturschutz gestellt (landschaftlicher Gebietsplan).

Wappen der Gemeinde Ritten
Wappen der Gemeinde Ritten

Wappen der Gemeinde

1967 wurde der Gemeinde Ritten das Wappen der Edlen von Zwingenstein verliehen. Es zeigt zwei silberne Sparren in rotem Feld und ist weit gehend identisch, jedoch farbverwechselt mit dem Wappenschild der Herren von Zwingenstein, deren Burg auf einem bewaldeten Hügel in Unterinn stand. 1276 wurde die Burg von Graf Meinhard II. von Tirol-Görz zerstört. Das Geschlecht der Zwingensteiner starb 1531 aus.

Das ursprüngliche Wappen der Zwingensteiner weist farbverkehrt zwei rote Sparren in silber-weißem Schild auf (vgl. Hye, Franz-Heinz v., S. 164/165).



Traditionelles Emblem der Gemeinde Ritten

Das traditionelle Emblem der Gemeinde beschreibt die landwirtschaftlichen Nutzungsarten in den unterschiedlichen Höhenlagen des Gemeindegebietes.

Im untersten Teil des Emblems sind dementsprechend Weintrauben dargestellt.historisches Wappen
Traditionelles Emblem der Gemeinde

Der mittlere Teil zeigt Getreideähren und geht damit auf die mittlere Höhenlage des Rittens ein, wo seinerzeit hauptsächlich Getreideäcker und Wiesen die Landschaft prägten.

Den Abschluss der Rittner Höhenstufen bildet das Gebiet des Rittner Horns mit den typischen Almen und alpiner Vegetation. Und das Emblem schließt mit Latschen und Kiefern in seinem oberen Teil ab (Archiv Gemeinde Ritten).

Text: Dr. Erika Prast Messner

Literaturangaben

Hier finden Sie die Literaturangaben.

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